hpo Konjunkturkommentar 2. Quartal 2024
Welche Spuren hinterlässt der Handelskrieg in den Exportzahlen?
Das Wichtigste in Kürze
- Der reale Auftragseingang der deutschen Maschinenbauer sank im ersten Quartal um 9 % gegenüber dem Vorjahresquartal. Der Rückgang der Nachfrage umfasste fast alle Segmente des Maschinenbaus. 19 von 21 Unterkategorien der Branchen verzeichneten einen fallenden 12-Monatsschnitt im Jahresvergleich. Insgesamt sank dieser Wert im deutschen Maschinenbau um 12 % gegenüber dem Vorjahr.
- Über die letzten 20 Jahre betrachtet verloren die Schweizer Maschinenbauer nominal Marktanteile gegenüber den deutschen Konkurrenten. Wird der Auftragseingang der Schweizer Hersteller zum jeweils aktuellen Wechselkurs in Euro umgerechnet, entwickelte sich der Auftragseingang in der Schweiz sehr ähnlich wie in Deutschland.
- Die von der OECD publizierten Stimmungsindikatoren Business Confidence Index (BCI) und Consumer Confidence Index (CCI) hellten sich weiter auf, verharrten aber in den USA, Europa und China immer noch unter der neutralen Marke von 100 Punkten und damit im kontraktiven Bereich.
- Der seit 2018 schwelende Handelskrieg zwischen den grossen Wirtschaftsblöcken und das insgesamt tiefe Wirtschaftswachstum widerspiegeln sich in den Handelszahlen Deutschlands, Chinas und der Vereinigten Staaten: Seit 2023 sinken die Importe in allen drei Ländern markant und die USA verliert in der chinesischen Exportstatistik seit 2018 kontinuierlich an Gewicht.
Untenstehend finden Sie die ausführliche Version des hpo Konjunkturkommentars Q2 2024.
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Auftragseingang im Maschinenbau sinkt weiter
Um 9 % sank im ersten Quartal der inflationsbereinigte Auftragseingang (Quartalswert) der deutschen Maschinenbauer im Jahresvergleich, gemäss Daten des deutschen Statistikamts Destatis. Damit setzt sich der Abschwung in der Investitionsgüterindustrie wie erwartet fort. Der gleitende 12-Monatsschnitt sank um 12 % innert Jahresfrist.
In der Statistik von Destatis wird der Maschinenbau in 21 Unterkategorien aufgeteilt und für alle Kategorien wird der Auftragseingang monatlich publiziert. Es fällt auf, dass in 19 von 21 Kategorien der gleitende 12-Monatsschnitt im Jahresvergleich sank, in den meisten Segmenten zwischen 10 und 20 %. Einzig die beiden Segmente «Herstellung
von Verbrennungsmotoren und Turbinen (ohne Motoren für Luft- und Strassenfahrzeuge)» sowie «Herstellung von Maschinen für die Metallerzeugung, von Walzwerkseinrichtungen und Giessmaschinen» verzeichneten positive Wachstumszahlen. Am schlimmsten erwischte es den Auftragseingang in der Kategorie «Herstellung von Maschinen für die Papiererzeugung und -verarbeitung», wo der gleitende 12-Monatsschnitt im Jahresvergleich um 42 % einbrach. Damit ist die Nachfrageschwäche im deutschen Maschinenbau breit abgestützt und umfasst beinahe alle Segmente.
Bei besonders frühzyklischen Branchen wie der Textilmaschinenindustrie stabilisierten sich zuletzt die Quartalswerte. Doch beispielsweise bei der spätzyklischen Werkzeugmaschinenindustrie geht der Rückgang auch bei den Quartalswerten ungebremst weiter. Vertragskunden können detaillierte Daten dazu im hpo cockpit abrufen.
Abb. 1: Realer Auftragseingang Maschinenbau, Textilmaschinen und Werkzeugmaschinen Deutschland, gleitende 12-Monatsschnitte
Quelle: Rohdaten Destatis, Darstellung hpo forecasting
Die Nachfrageentwicklung der Schweizer Maschinenbauer (hier angenähert mit dem Auftragseingang der sogenannten MEM-Industrie) ist mit derjenigen der deutschen Mitbewerber sehr gut vergleichbar. Werden die nominalen Zahlen in den jeweiligen Landeswährungen verglichen (blaue und rote Kurven in Abb. 2), scheint es, als ob die Schweizer Firmen seit der Finanzkrise kontinuierlich Marktanteile verloren. Wird allerdings der Auftragseingang der Schweizer Maschinenbauer zum jeweiligen Wechselkurs in Euro umgerechnet (gelbe Kurve), ist die Entwicklung der Nachfrage der beiden Länder im langjährigen Vergleich sehr ähnlich. Nach der Finanzkrise verloren die Schweizer Hersteller etwas Marktanteile gegenüber den nördlichen Nachbarn, doch seit der Pandemie konnte dieser Rückstand im Wesentlichen wieder wett gemacht und seit über einem Jahr sogar leicht übertroffen werden. Wenig überraschend wirken in diesem globalisierten Markt dieselben Marktkräfte auf die Maschinenhersteller in beiden Ländern.
Abb. 2: Nominaler Auftragseingang Maschinenbau Schweiz (in CHF und in EUR zum jeweiligen Wechselkurs) und Deutschland (in EUR), gleitende 12-Monatsschnitte
Quelle: Rohdaten Swissmem, VDMA, Bundesamt für Statistik, Berechnung und Darstellung hpo forecasting
Die Stimmungsindikatoren hellen sich weiter auf, doch europäische Firmenvertreter in China werden pessimistischer
Seit einigen Monaten steigt der von der OECD publizierte Business Confidence Index (BCI) in vielen Ländern und lag im April in Europa (99,6 Punkte), den USA (99,1 Punkte) und China (99,0 Punkte) nur noch knapp im kontraktiven Bereich. In Deutschland zeigt die Entwicklung allerdings nach wie vor eine fallende Tendenz. Der BCI hat eine gute Frühindikatorfunktion für die Industrie. Die aktuelle Dynamik spricht weder für einen weiteren Absturz noch für eine rasche Erholung der Nachfrage in der Industrie. Im Markt fehlt es an klarer Orientierung.
Abb. 3: Business Confidence Index (BCI) in Europa, Deutschland, den USA und China
Quelle: Rohdaten OECD, Darstellung hpo forecasting
Eine Aufwärtstendenz ist bei der Konsumentenstimmung zu erkennen. In den USA und Europa betrug der Consumer Confidence Index (CCI) im April rund 99 Indexpunkte. In China war der Wert trotz Aufwärtstendenz mit 94 Indexpunkten aber nach wie vor sehr tief und bringt einen grossen Pessimismus der dortigen Konsumenten zum Ausdruck.
Das Ergebnis des jüngsten Business Confidence Survey 2024 der europäischen Handelskammer in China vermittelt ein ausgesprochen negatives Bild der dortigen Wirtschaftslage. Anfang Jahr befragte die Kammer 259 europäische Firmen, die in China tätig sind. Über zwei Drittel der befragten Firmen gaben an, dass die Geschäftstätigkeit für sie in China schwieriger wurde. Das ist der höchste Wert in der Geschichte der Umfrage. Die Gründe dafür haben wir in unseren Publikationen schon oft diskutiert: niedriger Konsum, wachsende Überkapazitäten, die hartnäckige Immobilienkrise sowie regulatorische Herausforderungen.
55 % der befragten Unternehmen stufen die Konjunkturschwäche als eine der drei grössten Herausforderungen ein. 58 % berichten von verpassten Marktchancen aufgrund von Marktzugangs- und regulatorischen Hindernissen. Demzufolge planen 52 % der befragten Firmen Kostensenkungen, 26 % davon durch Personalabbau. Jens Eskelund, Präsident der Handelskammer, warnt vor einer drohenden Negativspirale in Chinas Wirtschaft.
Ein Lichtblick ist einzig der Anstieg des Anteils der Befragten, die von einer Marktöffnung in ihrer Branche berichten (45 %, +9 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr). Doch insgesamt ist die Umfrage ein weiterer Hinweis dafür, dass China in den kommenden Jahren kaum zu einem starken Wirtschaftswachstum zurückfinden wird.
Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze in der Eurozone rückläufig
Das Wirtschaftswachstum ist in der Eurozone praktisch zum Erliegen gekommen. Im ersten Quartal wurde ein Wachstum von 0,4 % im Jahresvergleich gemeldet, nach je 0,1 % in den beiden Vorquartalen. Das Wachstum stammt derzeit primär aus dem Service-Sektor. Sowohl die Industrieproduktion als auch die Einzelhandelsumsätze zeigen seit rund einem Jahr eine sinkende Tendenz. Die relative Stabilität dieser Indikatoren bestätigt die verbreitete These, dass gesamtwirtschaftlich eine tiefe Rezession vermieden werden kann. Die Indikatoren deuten für Europa eher auf eine längere Phase mit schwachem Wachstum hin, ohne Krise aber auch ohne Boom.
In den USA wuchs die Wirtschaft im ersten Quartal um 3 % und damit fast gleich stark wie in den beiden Quartalen zuvor. Dasselbe gilt auch für die Einzelhandelsumsätze. Trotz interventionistischer Industriepolitik stagniert die Industrieproduktion in den USA seit rund einem Jahr. Auch dort ist der Service-Sektor der Wachstumstreiber. Im April fiel der viel beachtete ISM Services PMI das zweite Mal seit 2020 unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. (Der ISM Manufacturing PMI bewegt sich schon seit November 2022 durchgehend unter dieser Marke.)
In China hält sich das offizielle Wirtschaftswachstum an die Vorgabe der kommunistischen Partei und wuchs im ersten Quartal um 5,3 %. Das Wachstum der Industrieproduktion lag im März mit 4,5 % Wachstum leicht darunter. Aufgrund des starken Wachstums im Vorjahresmonat stiegen die Einzelhandelsumsätze im März für chinesische Verhältnisse um tiefe 3,1 %, doch dürfte sich dieser Wert im Sommer wieder erholen, wenn der anspruchsvolle Basiseffekt aus dem Vorjahr wegfällt. Trotz diversen Krisen wächst die chinesische Wirtschaft, doch liegt die Wachstumsquote nach wie vor weit unter dem Durchschnitt der Jahrzehnte vor der Pandemie.
Die USA importiert markant weniger Güter aus China
In Amerika nimmt der Wahlkampf Fahrt auf und die beiden Kandidaten Biden und Trump überbieten sich mit Ankündigungen zur Erhöhung der Importzölle, insbesondere gegenüber China. Der jüngste Schritt Präsident Bidens, drastische Zollerhöhungen auf chinesische Elektroautos, Halbleiter, Solarzellen und einige weitere Produkte zu implementieren, ist nur die letzte Runde im Handelskrieg, der von seinem Widersacher Donald Trump 2018 lanciert wurde. Die Retourkutsche Chinas dürfte nicht lange auf sich warten lassen.
In den Handelsdaten sind die Auswirkungen des Streits bereits offensichtlich. Die amerikanischen Importe aus China wuchsen über Jahrzehnte kontinuierlich, mit kurzen Rückschlägen in Krisenzeiten, beispielsweise in der Finanzkrise 2009. Nach der ersten Zollrunde unter Präsident Trump 2018 sanken die amerikanischen Importe aus China bis zum Höhepunkt der Coronakrise Mitte 2020 kontinuierlich. Darauf folgte die Explosion des amerikanischen Konsums, ausgelöst durch die immensen Stimulusmassnahmen der USA und der Veränderung der privaten Konsummuster auf Kosten der Services. In der Folge erreichte der 12-Monatsschnitt der amerikanischen Importe im Herbst 2022 einen neuen Höchststand, bis Präsident Biden weitreichende Handelsrestriktionen im Technologiesektor ankündigte. Darauf brachen die amerikanischen Importe aus China bis Januar 2024 um einen Viertel ein (gemessen am gleitenden 12-Monatsschnitt). Die amerikanischen Exporte nach China bewegen sich auf einem viel tieferen Niveau und sind in der Vergangenheit auch weniger zurückgegangen.
Abb. 4: Entwicklung der amerikanischen Importe aus China und Exporte nach China in Mia. USD pro Monat, gleitende 12-Monatsschnitte
Quelle: Rohdaten IMF, Darstellung hpo forecasting
In Europa gibt es ebenfalls Stimmen, welche die Erhöhung der Handelsbarrieren gegenüber China befürworten. Allerdings sind beispielsweise die deutschen Automobilhersteller viel stärker vom chinesischen Markt abhängig als die amerikanischen Konzerne. Europa ist bestrebt, sich zwischen den beiden Fronten zu positionieren, ohne von diesen zerrieben zu werden. Wie entwickelte sich in der Folge die deutschen Exporte nach China und die Vereinigten Staaten? Anfang 2021 waren die Exporte Deutschlands in beide Länder mit je rund 10 Milliarden USD pro Monat fast identisch. Seither ist die Entwicklung diametral verschieden. Während Deutschlands Exporte in die USA zwischen Anfang 2021 und Januar 2024 um rund 44 % stiegen (gemessen am gleitenden 12-Monatsschnitt), sank der entsprechende Wert für China um 5 %. Dieser Rückgang dürfte vor allem mit Chinas wirtschaftlicher Schwächephase zu tun haben. Dazu kommt aber auch, dass China zunehmend Importgüter aus Deutschland mit inländischen Gütern substituiert.
Abb. 5: Entwicklung der deutschen Exporte in die USA und nach China, gleitende 12-Monatsschnitte
Quelle: Rohdaten IMF, Berechnung und Darstellung hpo forecasting
Bei Betrachtung der chinesischen Exporte fällt auf, dass im März 2018 die Exporte in die hochentwickelten Volkswirtschaften 65 % der Gesamtexporte des Landes ausmachten. Im Januar 2024 betrug dieser Wert noch 56 %. Entsprechend erhöhte sich der Anteil der chinesischen Exporte in die Entwicklungs- und Schwellenländer von 35 % auf 44 %. Dieser Trend des abnehmenden Gewichts der hochentwickelten Volkswirtschaften in Chinas Exportwirtschaft ist schon länger zu beobachten. 1992 gingen erst 13 % aller chinesischen Exporte in Entwicklungs- und Schwellenländer. In den letzten Jahren hat sich der Trend jedoch wieder beschleunigt.
Abb. 6: Veränderung Exportanteil der chinesischen Exporte nach Destination zwischen März 2018 und Januar 2024, (gemessen am gleitenden 12-Monatsschnitt)
Quelle: Rohdaten Destatis, Berechnung und Darstellung hpo forecasting
Beim Export profitierte China bis 2023 vom sehr starken Konsum im Westen und die USA konnte nach Ausbruch des Ukrainekriegs vor allem ihre Energieexporte stark steigern. Bei den Exporten sind in China und den USA jüngst Rückgänge zu beobachten, während die deutschen Exporte weiter steigen. Allerdings war in Deutschland der Exportboom zuvor viel weniger ausgeprägt. Die Importe sinken seit 2023 in allen drei Ländern, doch scheint sich der Rückgang nun abzuflachen.
Abb. 7: Entwicklung der Warenexporte Chinas, Deutschlands und der Vereinigten Staaten in die Welt in Mia. USD pro Monat, gleitende 12-Monatsschnitte
Quelle: Rohdaten IMF, Darstellung hpo forecasting
Abb. 8: Entwicklung der Warenimporte Chinas, Deutschlands und der Vereinigten Staaten in die Welt in Mia. USD pro Monat, gleitende 12-Monatsschnitte
Quelle: Rohdaten IMF, Darstellung hpo forecasting
Ihre Prognosespezialisten
Wer ist hpo forecasting?
hpo forecasting erstellt branchen- und firmenspezifische Auftragseingangsprognosen für die Industrie. Die Vorhersagen helfen Führungskräften, sich in Planungsprozessen frühzeitig auf bevorstehende Marktveränderungen einzustellen.
Mit weit über 200 Branchen-Prognosemodellen weltweit deckt hpo forecasting zahlreiche Segmente der Märkte für Investitionsgüter und dauerhafte Konsumgüter ab. Die Prognosen werden für Unternehmen individuell konfiguriert. Sie stützen sich auf das Peter-Meier-Prognosemodell, eine wissenschaftlich fundierte und seit über 20 Jahren empirisch erprobte Methode, die laufend weiterentwickelt wird.
Besonders stark ist hpo forecasting in der Vorhersage konjunktureller Wendepunkte.
Die Prognosespezialisten des hpo forecasting Teams verbindet die gemeinsame Leidenschaft für die Analyse und Vorhersage wirtschaftlicher Zusammenhänge – immer mit dem Ziel, mit möglichst treffsicheren Prognosen Mehrwert für die Entscheidungsträger:innen zu schaffen.
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